»Also, wir sind damals häufiger nach Singapur gekommen, mein Kapitän hat immer gesagt, aus dir wird nichts, aber ich hab' ja sooolche Schultern, weißte, dann war immer Ruhe ...«
Das ist B., dessen Landgang mittlerweile endgültig und dessen Latzhose funkelnagelneu ist, mit glänzenden Knöpfen und nicht ganz so blau wie ihr Träger. Sein mächtiger, charaktervoller Bauch dürfte B. unsinkbar machen, den Barhocker, der unter ihm still leidet und dennoch erträgt, jedoch kaum erfreuen.
09.01.2009
Meet Mister B.
»Weißte, wenn mir einer so kam, dann kam ich ihm so, aber sofort!« B.'s Hände fuchteln eine unmißverständliche Pantomime durch die Bar, die eigentlich längst husten müßte, denn B. hat ständig eine brennende Zigarette im Aschenbecher abgelegt und immer eine zwischen den Lippen, die weniger wulstig als vielmehr fast unsichtbar schmal sind. Die Nase darüber befindet sich in jenem verheißungsvollen Stadium zwischen Riechorgan und pathologischem Exponat, was Farbe, Form, Oberfläche und wahrscheinlich auch Funktion angeht. Auf ihrem Rücken ruht eher eine solide Schweißarbeit denn Brille, mit unterschiedlich starken Gläsern, was seinem Blick genau die Asymmetrie verleiht, die wahlweise Vertrauen oder Abscheu erzeugt. Die Augen scheinen unabhängig voneinander zu agieren, wobei beide stets an seinem Gegenüber vorbeiblicken. Auf der Stirn wird's unauffälliger, bis schließlich ein gut getarnter Haaransatz in einen fettigen grauen Schopf übergeht – man fragt sich, was im Manuskript dieses Gesichts eigentlich noch zwischen den Zeilen stehen soll.
»War schon in der Schule so. Haben immer alle über mich gelacht, weil ich nicht vorlesen wollte, aber mit meinen Schultern hab' ich das immer, weißte, geregelt, hab' ich immer. Da war immer Zack! und Zack! und Zack!, hab' ich ja Schultern ...«
Mehr als zustimmend nicken kann man da nicht. Das reicht auch, denn schon will B. eine Runde Bier spendieren. Die absolute Notwendigkeit, das nicht abzulehnen, unterstreicht sein schneller Blick zu seinen Schultern.
Die überhaupt nicht besonders breit sind, jedenfalls nicht im Vergleich zu seinem Bauch, dessen Oberfläche gerade von kleineren Eruptionen erschüttert wird. Das ist zuviel für den Barhocker, der nun nicht anders kann und ernsthaft knirscht, aber sofort wieder ängstlich verstummt, als B. sich kurz aufsetzt und dann sein Hinterteil wieder herabläßt.
»Könnt überhaupt nicht trinken, ihr jungen ...«, murmelt er, setzt die Flasche an und leert sie nicht etwa ganz, sondern nur einen kleinen Schluck, hält die Luft an und krallt seine Finger in die Oberschenkel. Gut, daß das nicht meine sind.
Dann steht Elvis im Raum, komplett mit diamantenbesetzem Anzug, Gitarre auf dem Rücken und allmächtigen, tiefschwarz lackierten Koteletten. Sein Bariton nuschelt eine Bestellung über den Tresen, ihm wird ein ganzes Faß gereicht und ein Abflußrohr als Strohhalm. Ein paar Gäste fallen in Ohnmacht, andere wachen auf und beginnen Staub zu hecheln. Der King schleudert ein Bündel Dollars durch den Raum, die sich ängstlich verkriechen, geht zur Musikbox und drückt dreimal hintereinander I Should Be So Lucky, während Madame Bovary in ihrem Iglu am Nordpol auf den Tod wartet.
B. hat mittlerweile sein Bier ausgetrunken und den Hals der Flasche abgebissen, den er lautstark zerkaut und sich Ketchup geben läßt. Plötzlich fangen seine Ohren Feuer, aber Elvis erdrückt mit seinen pelzigen Pranken die Flammen, verflucht den Dalai Lama und pinkelt ins Aquarium. Winzig kleine Rettungsringe werden von ein paar Gästen ins Wasser geworfen, die Fische, erschöpft aber glücklich, retten sich in Blumentöpfe und ersticken zufrieden.
B. leckt sich die letzten kleinen Scherben von den zerschnittenen Lippen und fährt fort: »In Singapur im Puff wollte eine meinen Schwanz tätowieren ...«
»Aha. Und welches Motiv?«
»Sie hat erst meinen Schwanz gezeichnet – hat den ganzen Nachmittag gedauert, obwohl da nichts dran ist – und wollte das dann auf meinen Schwanz tätowieren. Ich sag' ihr, daß Jugendstil nicht so mein Ding ist, aber sie wollte nicht hören. Da hab' ich sie gefickt und die Quittung auf meinen Pastor ausstellen lassen, der hat dann seine Tochter enterbt. Die konnten alle nicht trinken.« B. läßt noch ein paar Bier auf Vorrat kommen; zu kalt ist ja auch nicht bekömmlich.
Elvis hat dazu eine andere Meinung und legt deshalb einen äußerst präzisen Kopfstand hin, bis alle Uhren im Raum stillstehen. Jemand mit Motorsäge zerteilt ein paar Zentner Schnitzel, die dann jemand anderes wegwirft. Bald stehen viele blaue Müllbeutel umher, gegen die B. und Elvis abwechselnd treten und japsen. Ich will zahlen, der Barmann sagt, das ginge nicht. B. hat ein paar Ampullen mit Elvis' Aquariumwasserpisse gefüllt und unter seinen Achseln gefroren. Manche können sowas eben. Aus dem Eis schneidet er mit ein paar ausgerissenen Haaren – das dauert Stunden – Scheiben, die wie Gold glitzern und bezahlt alle Drinks. Auch das Faß von Elvis.
Wenn es doch nur immer so sein könnte.
»War schon in der Schule so. Haben immer alle über mich gelacht, weil ich nicht vorlesen wollte, aber mit meinen Schultern hab' ich das immer, weißte, geregelt, hab' ich immer. Da war immer Zack! und Zack! und Zack!, hab' ich ja Schultern ...«
Mehr als zustimmend nicken kann man da nicht. Das reicht auch, denn schon will B. eine Runde Bier spendieren. Die absolute Notwendigkeit, das nicht abzulehnen, unterstreicht sein schneller Blick zu seinen Schultern.
Die überhaupt nicht besonders breit sind, jedenfalls nicht im Vergleich zu seinem Bauch, dessen Oberfläche gerade von kleineren Eruptionen erschüttert wird. Das ist zuviel für den Barhocker, der nun nicht anders kann und ernsthaft knirscht, aber sofort wieder ängstlich verstummt, als B. sich kurz aufsetzt und dann sein Hinterteil wieder herabläßt.
»Könnt überhaupt nicht trinken, ihr jungen ...«, murmelt er, setzt die Flasche an und leert sie nicht etwa ganz, sondern nur einen kleinen Schluck, hält die Luft an und krallt seine Finger in die Oberschenkel. Gut, daß das nicht meine sind.
Dann steht Elvis im Raum, komplett mit diamantenbesetzem Anzug, Gitarre auf dem Rücken und allmächtigen, tiefschwarz lackierten Koteletten. Sein Bariton nuschelt eine Bestellung über den Tresen, ihm wird ein ganzes Faß gereicht und ein Abflußrohr als Strohhalm. Ein paar Gäste fallen in Ohnmacht, andere wachen auf und beginnen Staub zu hecheln. Der King schleudert ein Bündel Dollars durch den Raum, die sich ängstlich verkriechen, geht zur Musikbox und drückt dreimal hintereinander I Should Be So Lucky, während Madame Bovary in ihrem Iglu am Nordpol auf den Tod wartet.
B. hat mittlerweile sein Bier ausgetrunken und den Hals der Flasche abgebissen, den er lautstark zerkaut und sich Ketchup geben läßt. Plötzlich fangen seine Ohren Feuer, aber Elvis erdrückt mit seinen pelzigen Pranken die Flammen, verflucht den Dalai Lama und pinkelt ins Aquarium. Winzig kleine Rettungsringe werden von ein paar Gästen ins Wasser geworfen, die Fische, erschöpft aber glücklich, retten sich in Blumentöpfe und ersticken zufrieden.
B. leckt sich die letzten kleinen Scherben von den zerschnittenen Lippen und fährt fort: »In Singapur im Puff wollte eine meinen Schwanz tätowieren ...«
»Aha. Und welches Motiv?«
»Sie hat erst meinen Schwanz gezeichnet – hat den ganzen Nachmittag gedauert, obwohl da nichts dran ist – und wollte das dann auf meinen Schwanz tätowieren. Ich sag' ihr, daß Jugendstil nicht so mein Ding ist, aber sie wollte nicht hören. Da hab' ich sie gefickt und die Quittung auf meinen Pastor ausstellen lassen, der hat dann seine Tochter enterbt. Die konnten alle nicht trinken.« B. läßt noch ein paar Bier auf Vorrat kommen; zu kalt ist ja auch nicht bekömmlich.
Elvis hat dazu eine andere Meinung und legt deshalb einen äußerst präzisen Kopfstand hin, bis alle Uhren im Raum stillstehen. Jemand mit Motorsäge zerteilt ein paar Zentner Schnitzel, die dann jemand anderes wegwirft. Bald stehen viele blaue Müllbeutel umher, gegen die B. und Elvis abwechselnd treten und japsen. Ich will zahlen, der Barmann sagt, das ginge nicht. B. hat ein paar Ampullen mit Elvis' Aquariumwasserpisse gefüllt und unter seinen Achseln gefroren. Manche können sowas eben. Aus dem Eis schneidet er mit ein paar ausgerissenen Haaren – das dauert Stunden – Scheiben, die wie Gold glitzern und bezahlt alle Drinks. Auch das Faß von Elvis.
Wenn es doch nur immer so sein könnte.
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