17.04.2009

Speed

Ein Dodge Barracuda ist tatsächlich ungefähr so, wie der Name im Geist vorbeisaust. Alles an und in ihm versöhnt sich mit gutgelaunter Aggression und zorniger Jugend, ein Fahrzeug, das lautere, männliche Moral ausstrahlt und die Lust an Kraftproben dem Zugriff jeglicher pädagogischer Anstrengung entzieht. Ätsch. Ein Auto, das authentischer röhrt als jeder Hirsch und unbequemer ist als ein durchschnittlicher Aufenthalt auf der Intensivstation. Man mag besorgt sein, daß es jemals entwickelt wurde. Man kann sich auch über Bio-Tee freuen. Frauen halten nichts vom Barracuda, es sei denn, der richtige Kerl sitzt am Steuer. Es ist eben nicht einfach.

Die Weiße Stimme des Blues / 01:27 / Reportagen vom Ende der Welt / Link / Zwischenruf / Trackback

Natürlich verbraucht er viel Sprit. So viel, daß einem Angst und Bange wird, wenn man in Europa aufgewachsen ist. Das Klima ist diesem Gerät egal, die Straße irgendwie auch, solange sie da ist und keine Bäume im Weg stehen. Es gibt eine Kampfhundverordnung, aber kein Gesetz gegen den Dodge Barracuda. Wer sich traut, das gut zu finden, hat einen Freund gewonnen. Es ist ein unmögliches Auto, ein Anachronismus, eine geile Göttin, die furzend in das Meer der Tugend pisst. Wer das nicht liebt, lebt nur halb. Oder auf Vollkorn. Bitteschön. Viel Spaß.

Richtig sexy wird's, wenn der Lack ein nur noch mattes Zitronengelb und die Benzinleitung brüchig und leck ist. Das fördert das Aroma im Innenraum. Bei dem Gestank jetzt erstmal eine Zigarette, die Party im Harz ist ja noch eine Tankfüllung und einen Hörschaden entfernt. Vielleicht schließt ja irgendjemand während der Fahrt auch das Radio an. Bei dem Gedröhne auf der Autobahn muß das sein. Leere Bierdosen signalisieren feinste Fahrbahnunebenheiten. Es funkt und zischt aus dem Fußraum. Gut so. Und mit Glück explodieren wir endlich ...

Fuchsstuten sind ziemlich elegante Gäule und so richtig furchtbar sensibel. Ein Klaps auf den Arsch kann sie beschleunigen, der Dodge braucht einen engagierten Tritt aufs Gaspedal, bis der Vergaser röchelt und noch mehr Benzindunst den Innenraum mit gasoliner Lust erfüllt. Einen zu bauen scheint jetzt geboten. Eigentlich fehlen bloß noch ein paar aufgeschlossene Mädels, die einen am Morgen pflichtbewußt zusammensammeln und vielleicht sogar heißen, schwarzen Kaffee dabei haben. Zum Dank natürlich, weil man sie im Kornrausch »süße Pussi« genannt hat. Und dann diese verwaschenen Jeans mit dem ganzen Cocktail drunter. Der Dodge lächelt dazu. Manchmal, wenn es richtig schnell geht, grinst er sogar. Einfach ein gutes Auto.

Nur echte Prinzessinnen machen ihn schwach, als würden seine Reifen einfach so, von einem Moment zum anderen, resigniert platt und mutlos. Männern kann das auch passieren und es ist eine böse Variante haltlosen Schicksals, in solchen Momenten keinen Dodge Barracuda dabei zu haben. Man kann sich in solchen Augenblicken nicht einfach mit einem Zündschlüssel sicherfühlen. Auswege, auch asphaltierte, bleiben dann leider aus.

Z. sitzt gewohnt verkrampft im Fond, ihre schlacksigen Beine drücken in den Rücken des Fahrers, der alle überholenden Audis beschimpft. Dafür hat sie so schöne Ringe unter den Augen, von denen sie behauptet, die Drogen seien bestimmt nicht schuld dran. Mit ihrem Lachen hätte sie die Mauern von Jericho zum Einsturz bringen können, aber dazu ist sie viel zu jung. Ihr Job als Event-Managerin hat sie eine ganze Zeit lang genervt, bis sie sich auf eine Phase einließ, während der ihr Chef sie immer mit dem Saab Cabrio abholte. Als die vorbei und sie nicht befördert worden war, durften wir wieder Freunde sein. Naja, Auslauf und frische Luft sollen ja so gesund sein. Ist im Dodge nicht zu haben, Z. stört das aber nicht und schnorrt mir eine Filterlose ab. Dazu klimpert sie mit den Wimpern über Augen, deren Blau aus der Nordsee kommt. Einen Flachmann zaubert sie aus ihrer Schlabberjacke auch noch hervor und wir bewundern sekundenlang die trübe Vorfrühlingssonne, nachdem wir uns zugeprostet haben und während mein Bruder immer noch mit dem Radio beschäftigt ist, aus dem ganz kurz ein Fetzen des effizienten Tom Petty zu hören war, bis das allgemeine Röhren und Brüllen des Dodge wieder den Ton angab.

Vielleicht ist Z. etwas benebelt vom Benzindunst oder vom Schnaps oder vom Leben ganz allgemein, jedenfalls fragt sie auf einmal unvermittelt, was ich denn aus meinem Leben noch so zu machen gedenke, bisher hätte ich ja noch keinen rechten Sinn darin gefunden. Ob man das unbedingt müsse, frage ich – besser als eine ehrliche Antwort – zurück und rege mich innerlich über ihre Unverschämtheit auf, kann ihr aber nicht böse sein. Weil sich das am wenigsten von allem lohnt. Ich erzähle ihr von der der nächsten Radreise und davon, wie anmutig im Krüger Nationalpark Leben und Tod oszillieren. Z. läßt den Kopf zurückfallen und gähnt, bis sie plötzlich meine Hand nimmt und unter ihr mausgraues Sweatshirt auf ihren Bauch legt. Der gibt sich nicht so straff, wie ich ihn in Erinnerung habe, aber das war wahrscheinlich auch nicht ihrer. Dann erklärt sie einfach, ihr sei kalt. Kein Wunder, denn nicht nur das Radio gibt keinen Ton von sich, auch die Heizung des Barracuda funktioniert nicht so, wie man es sich wünscht.
Ich biete ihr einen Platz unter meiner Lederjacke an. Sie schaut mich an, als hätte ich den Schuß nicht gehört und nimmt das Angebot trotzdem an. Mein Bruder blickt kurz nach hinten und rollt mit den Augen, der Fahrer flucht einem weiteren Audi hinterher.
»Hast Du mal an Kinder und so gedacht?« Mit dieser Frage habe ich gerechnet und weiß auch, wie wenig ernst Z. sie jetzt meint, diese unbeholfene Schlange, dieses reizende Nasenäffchen mit der blassen Haut und dem Muttermal am vierten Halswirbel.
»Das ist wohl schon eine Weile her ...« Z. nimmt noch einen Schluck und meint, ihr sei jetzt schlecht.

Ich finde das mit ihr unter meiner Jacke nun auch unangenehm und suche nach einer Dose Bier. Dieses Aroma fehlt hier noch zwischen dem von Benzin, Tabak und Heuchelei.

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