22.01.2010

Hanselstadt Hamburg

Hamburg-Altona ist ja so pittoresk: Neben Alteingessenen und Migranten tummeln sich hier Studenten, Prominente und Künstler. Multi-Kulti vom Feinsten sozusagen.

Architektonisch hat der Stadtteil allerdings ein paar Altlasten zu tragen. Offenbar wurde die Stadtteilentwicklung in den 60er und 70er Jahren von Betrunkenen betrieben, anders sind die unermesslich hässlichen Bausünden mir nicht erklärbar. Dazu gehört neben anderen Merkwürdigkeiten wie dem Bahnhof die ehemalige Karstadt-Filiale, die jetzt abgerissen werden soll, um einer IKEA-Filiale Platz zu machen.

Gegen den schlimmen, menschenverachtenden Kommerz wehrt sich heldenhaft das kunterbunte, total kreative Kollektiv, das sich in den Räumlichkeiten momentan diversen Betätigungsfeldern widmet. Dem Web-Auftritt nach muß es sich dabei um eine Gruppe weltberühmter Künstler, Designer und »Stadtplaner« handeln, von denen ich zwar noch nie etwas gehört habe, aber ich bin ja nicht die Welt.

Die Weiße Stimme des Blues / 22:03 / Link / 1 Zwischenruf / Trackback

Sie wollen da nicht raus. Nicht, weil sie zu faul sind, sich neue Ateliers zu suchen, die womöglich ein paar Mücken mehr oder richtiges Geld kosten, sondern weil sie viel, viel bessere Ideen haben, wie sich das alte Frappant-Gebäude nutzen ließe:

Küken Jonas möchte kein »Kaufhaus, das nach singulären Interessen handelt«, sondern einen »Ort für die Bewohner und Menschen im Allgemeinen«. Das wäre für ihn wertvolle »Stadtentwicklung«, also angebliche. Deutlicher werden muß er für meinen Geschmack dann auch nicht.

Maler Florian (35) leidet darunter, daß »die Stadt das Potenzial der Künstler unterschätzt«. Und was ist mit dem Werk der Künstler, den Kunstwerken also? Werden die auch unterschätzt, oder sind sie womöglich gar nicht sichtbar? Zu solchen Nebensächlichkeiten hat der Florian merkwürdigerweise nichts zu sagen.

Na gut, vielleicht ist ja alles auch ein böser Irrtum und es handelt sich bei der ehemaligen Karstadt-Filiale überhaupt nicht um ein Gebäude. Sondern um einen Felsen. Davon überzeugt ist jedenfalls die Judith (keine Altersangabe): »Ein Felsen ist auch so etwas wie eine Landmarke, ein Naturdenkmal; so einen Felsen baggert man nicht weg, man baut allenfalls um ihn herum.« Und wenn ich dann eines Tages im Grab liege, liebe Judith, bin ich auch keine Leiche wie alle anderen Toten, sondern immerhin so etwas wie Gammelfleisch. Jedenfalls eine Zeit lang, oder?

Wesentlich realistischer ist da Katja, süße 37 Jahre alt. Sie macht nicht nur eindeutige Plastiken aus Plastik (ein Blick lohnt sich, rechts unter »Portraits ...«), sie hat auch diese entzückende vermittelnde Art, denn sie denkt, daß »die Qualität unserer Aktivitäten und damit das Ansehen von alleine steigt, wenn wir die Möglichkeit hätten, länger zu bleiben, ...«
Das will man sofort glauben, vor allem das mit der Qualität.

Erstaunlich robust allerdings gibt sich die Katrina (28 und kein bißchen weise), die den Konflikt mit den Stadtvätern schon bis zum bitteren Ende gedacht hat. Sie kettet sich notfalls nämlich »gern an die Tür«, und zwar mit ihrem »ganzen Dasein«. Hoffentlich holt Papa sie hinterher ab.

Voll friedlich und so dagegen ist Ina (38 vergebliche Lenze) eingestellt. Sie versteht gar nicht, worum es geht, will aber zurück zu Natur und Krabbelgruppe: »Bepflanzen und Bemalen« lautet ihr Motto. Am besten noch von Kindern oder Schimpansen, oder übertreibe ich da? Das würde aus dem alten Betonkasten natürlich ein Kleinod moderner Urbanität machen, wahrscheinlich noch einigermaßen öko dazu.

Tja, 77 % wollen lieber IKEA, Kapitalismus und Globalisierung pur also. Schämt euch, People Of Altona! Nicht, daß ich das begrüßen würde, ehrlich. Schon alleine deswegen nicht, weil ich Vorurteile gegenüber den heiter besserwisserischen Schweden (und Skandinaviern allgemein) hege.

Aber engstirnige persönliche Ansprüche und esoterisches Gefasel ergeben zusammen eben noch kein Nutzungskonzept, über das sich reden ließe, Ihr »Frappant«-Deppen! Seid gefälligst von euch selbst enttäuscht ...! Dann muß ich es nicht mehr sein.

Comments

household.a0 What do you think am I being too harsh, or is this kitchen a ciaanddte for Casa Moxie's IGNORE THIS ROOM decal? Related Posts:Nice range, shame about the layoutThis

rZPSTwGOBeO / 11.10.2013, 17:29 / Link











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